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6 Schritte um dich selber besser zu erkennen

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(c) Ben Heine (flickr.com)

(c) Ben Heine (flickr.com)

Nachts wenn ich im Bett liege und das iPhone an der Ladebuchse ist, das Tablet am Tisch liegt und auch das Buch das ich gerade lese außer Reichweite ist, kommen mir die besten Gedanken. Ideen, die weltverändernd sein könnten, wäre denn jemand anwesend um der Konversation in meinem Kopf zuzuhören. Ich habe so viele Ratschläge für anderer Leute Leben! Wenn mir die Leute doch nur zuhören würden, wir hätten in nullkommanix eine ganze Menge Probleme gelöst und vielleicht sogar den Weltfrieden.

Ich denke von Zeit zu Zeit führt jeder diese inneren Monologe und Streitgespräche. Ich habe Stunden, vielleicht Tage damit verbracht einer bestimmten Person Tipps zu geben und was derjenige hören sollte. Alles in meinem Kopf natürlich. Und es lässt einen einfach nicht los. Man denkt immer und immer und immer wieder daran und man kann sich gar nicht wehren. Das sich hier eine Möglichkeit für Self Improvement (Persönlickeitsverbesserung) bietet fällt einem aber oft nicht auf.

Spieglein, Spieglein an der Wand…

Psychologen nennen das Perseveration – ein schönes Wort, das du später mal in Konversationen einbauen solltest. Perseveration bedeutet, dass man eine Handlung, einen Gedanken oder eine Aussage im Kopf verlängert/ausbreitet oder wiederholt, nachdem der Stimulus/Reiz schon lange vorüber ist. Unser Unterbewusstsein bringt uns dazu uns intensiv mit Menschen zu beschäftigen – perseverieren – die etwas an uns selbst wiederspiegeln, das unsere Aufmerksamkeit benötigt. Zum Beispiel:

“Ich kann nicht fassen, dass mein Sohn raucht – auf den Schock brauch’ ich erst mal einen Espresso.”

“Ich wünschte meine beste Freundin würde aufhören sich selbst zu erniedrigen – ich meine, sie ist ja kein Komplettversager so wie ich.”

“Können die Leute im Internet nicht einfach mal ordentlich Grammatik und Rechtschreibung benutzen? Ich mein Hallo? Sin die besceuert??”

Von außen betrachtet, ist es klar, dass diese Aussagen Meisterwerke selbstreferenziellen Denkens sind. Aber wenn wir diejenigen sind die perseverieren, dann kapieren wir nicht, dass wir in menschliche Spiegel sehen. Aber jetzt weißt du Bescheid und damit dieses Wissen nicht verschwendet ist, gibt es eine Übung die man machen kann, um Schlüsse über sich selbst zu ziehen. Es hilft, ab jetzt euren Sinn des Nichtwahrhabenwollens abzuschalten und euer Unterbewusstsein die Dinge aussprechen zu lassen, die für euch persönlich wichtig sind.

Schritt 1: Auswählen einer negativ perseverierenden Person (NPP)

Denke an eine Person, deren Missetaten dich wirklich, wirklich grantig machen und die von deinen genialen Vorschlägen (krass!) profitieren würde. Schnapp dir Papier und Stift (oder öffne ein neues Textdokument) und mach dich bereit in Schrift zu perseverieren.

Schritt 2: Lass die Rottweiler los! (im übertragenen Sinne)

Weil mich die soziale Konformität davon abhält, jedem ins Gesicht zu schreien – sicher keine schlechte Sache (das man das nicht tut) – ist es einfacher das ganze aufzuschreiben. Ich habe dies gemacht bei einem Bekannten, den ich Richard nenne. Als Anfangssatz habe ich geschrieben: “Lieber Richard, hier ist, was ich dir in meinen niederen Momenten sagen möchte.” Und dann hab ich alles hingekritzelt was mich wütend macht. Ich habe versucht nicht nachzudenken.

“Ich hasse es wie die Pest, wie selbstverständlich und egoistisch du mit Zeit und Aufwand von anderen umgehst!” Habe ich geschrieben. “Wenn man dich mal um einen Gefallen bittet, dann hörst du weg, aber von anderen erwartest du, dass sie dir zur Verfügung stehen. Du machst mich und andere ständig runter und beleidigst dich durch die Welt. Du bist ein echtes Arschloch manchmal! Deine Kommentare verletzen richtig.” Es war so wahnsinnig befreiend das aufzuschreiben. Man kann richtig spüren, wie die Hormone aus den Nebennieren rausströmen wie man so schreibt.

Jetzt bist du dran. Schreib einen Brief an deine negativ preseverierende Person – nicht um ihn zu versenden natürlich, sondern um die harten Gedanken aus den finsteren Ecken deines Kopfes hervorzubringen. Hab Spaß an diesem zweiten Schritt; die meisten Leute haben Spaß daran. Der nächste Schritt ist dann eine ziemliche Spaßbremse.

Schritt 3: Ändere den Namen und hör auf den Schuldigen zu beschützen

Nachdem du die Nachricht für deine NPP fertig hast, streiche seinen/ihren Namen oben durch. Schreib deinen eigenen Namen drüber. Jetzt lies den Brief als wäre er an dich gerichtet – und anstatt dich selbst zu verteidigen, absorbiere den Brief so, wie du es wolltest, das die NPP es tut: offen und ohne Widerstand.

Im meinem Fall mit Richard, fiel mir meine Scheinheiligkeit auf der Stelle auf. Wer mich kennt weiß und hat es sicher schon erlebt, wie beleidigend ich sein kann (tut mir Leid :( ). Wie komm ich dazu Richard Vorwürfe zu machen wenn ich selbst die selben Fehler mache? Außerdem hatte ich ihn gerade ein Arschloch genannt. Auch bei den anderen Punkten konnte ich mich wiederfinden – vor allem bei denen, die ich nicht oben aufgezählt habe.

Aber dann war mir klar, das die guten Ratschläge ja für mich sind. Jetzt wo ich weiß wo ich ansetzen muss, kann ich Richard eigentlich dankbar sein, dass ich jetzt mein eigenes problematisches Verhalten sehen kann.

Wenn du den NPP-Brief liest, kann es offensichtlich sein, dass du das Feedback verdienst das du da ablässt – das man die Rottweiler auf dich los lässt. Falls nicht, dann schau nochmal genauer hin. Zum Beispiel, wenn die NPP eine Person ist die andere/dich tyrannisiert oder drangsaliert aber du bist eher der freundlich gestimmte Typ, denk daran wann du dich hast einschüchtern lassen; sich ducken ist die andere Hälfte des Mobbing-Tanzes und vielleicht hast du ihn die ganze Zeit getanzt. Oder wenn die NPP ein fanatischer Kontrolltyp ist und du bist eher relaxed, dann mach dir klar das du versuchst das Kontrollieren der kontrollierenden Person zu kontrollieren. Wenn deine NPP Geld verschwendet und du bist eher sparsam, führe dir vor Augen wann du andere Währungen verprasst hast, wie zum Beispiel Zeit oder Aufmerksamkeit (zum Beispiel beim perseverieren).

Das wunderbare daran seine schlechtesten Charakterzüge im NPP-Brief zu erkennen ist, das der Brief voll mit guten Ratschlägen ist. Durch das perseverieren hast alle möglichen Wege erkundet, wie die Zielperson – das wärst dann du – sich verbessern kann.
Übrigens: Je härter du gegen die NPP wetterst, desto besser die Anweisungen für dich selbst.

Schritt 4: Wähle eine positiv perseverierende Person (PPP)

Die eigenen negativen Ratschläge entgegen zu nehmen ist schwer zu schluckende Medizin, aber die zweite Hälfte dieser Übung ist für die meisten noch viel schwieriger zu assimilieren. Bitte mach auch noch die letzten drei Schritte dieser Übung, sonst wirst du nur die Hälfte der Nachrichten deiner menschlichen Spiegel an dich bekommen.

Für diesen Schritt, musst du eine positiv perseverierende Person auswählen – jemand für den du dankbar bist, den du bewunderst oder auch jemand auf den du neidisch bist. Solche Personen tauchen oft in deinen Solo-Konversationen auf. Aber anstatt dich zu ärgern hörst du zu und denkst lange über Dinge nach, die sie gesagt oder getan haben.

Für mich ist es eine Person, die mich zum schreiben inspiriert und für mich in vielerlei Hinsicht ein Vorbild ist. Ich nenne diese Person Ayumi. Ayumi ist ein Mensch der mich fasziniert. Wenn sie etwas anpackt, dann geschieht es auch. Sie ist immer entschlossen das Richtige zu tun und lässt sich von nichts und niemandem von ihrem Weg abbringen. Sollte ich irgendwann mal ein Buch schreiben, bekommt Ayumi eine persönliche Widmung und eine handsignierte Erstausgabe mit Ledereinband und Goldschnitt.

Ich habe wieder den Zettel genommen und geschrieben: “Liebe Ayumi, hier ist, was ich dir in meinen niederen Momenten sagen möchte.”

Schritt 5: Lass die Golden Retriever-Welpen los! (wieder im übertragenen Sinne)

Ich hoffe, ihr könnt dem Prozess hier folgen: Wähl eine PPP – eine Person die deine Admiration oder Wertschätzung hat – und schreibe einen absolut ehrlichen Brief an ihn oder sie. Wenn ich so etwas mache, werde ich so verehrend wie ein kleines Hündchen. Ich habe Ayumi gelobt wie sonst nur die Nachspeise meiner Mutter. Wenn Ayumi anwesend wäre, ich würde ihr all meine Spielsachen geben.

Schritt 6: Ändere nochmals den Namen

Nachdem du den Brief an deine positiv perseverierende Person verfasst hast, wiederhole Schritt 3: Streiche deren Namen heraus und setze deinen eigenen ein. Lies dein eigenes Feedback und absorbiere ohne Widerstand – denn wiedereinmal hast du nur zu dir selbst gesprochen.

Mein Brief an Ayumi hat mich überrascht. Ich lobe ihre Durchsetzungskraft und mir fällt auf, dass ich diese Seite hier innerhalb weniger Tage aufgebaut habe und jetzt sitze ich fast jeden Tag und schreibe einen Artikel für ein interessiertes Publikum (zugegeben ist dieses nicht sehr groß aber ich mach es trotzdem gerne). Auch ich packe Dinge an und bring sie zu Ende. Ich bin immer noch nicht wie Ayumi aber etwas in mir versucht ihrem Beispiel zu folgen.

Was sagt dein PPP-Brief das du an dir selbst lieben sollst? Für welche deiner Attribute und Fähigkeiten bist du unterbewusst dankbar? Was auch immer du geschrieben hast, jetzt ist die Zeit es zu akzeptieren. Genieße das Lob so wie du wolltest das es deine Helden genießen. Du bist wirklich diese Person.

Zum Weiterdenken…

Es ist hilfreich, sich daran zu erinnern, das unser Unterbewusstsein fortschreitend damit beschäftigt ist, menschliche Spiegel herauszusuchen, um sie dann unserem aktiven Denken vorzuhalten. Genau auf unsere Gedanken zu achten erweitert unser Bewusstsein für unsere schlechtesten Eigenschaften (damit wir sie korrigieren können) und unsere besten Eigenschaften (damit wir sie ausbauen können). Die Perseverations-Briefe können dabei helfen unsere einsamen, inneren Monologe in kraftvolle Dialoge zu verwandeln, weil die Person mit der du sprichst – du – anfängt zuzuhören. Und wenn das passiert, dann wird in kleinen aber krass signifikanten Schritten, dein Ratschlag ein Anfang zur Veränderung dieser Welt.



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